Horst D. Deckert

Katha Schulze oder: Wie ich lernte, den Käfig zu lieben

Bayerns Grünen-Chefin Katharina Schulze (Foto:Imago)

Wenn eine Politikerin der Grünen, die uns mehr verbieten als erlauben wollen, von Freiheit spricht, dann hat das etwas von „double bind„. Man muss jedoch nicht erst Orwell bemühen, um zu vermuten, dass hier etwas faul ist, wie bei Eltern, die ihrem Kind unaufhörlich ihre Liebe versichern, ihm aber anschließend wegen Nichtigkeiten eine Ohrfeige verpassen. In den letzten Jahren drängte sich dieser Gedanke bezüglich der deutschen Politik immer häufiger auf: Je mehr etwas angepriesen wurde, desto tiefer saß der sprichwörtliche Wurm drin. Durch Politikerwort angeheizte Euphorie hält sich nicht lange, seit gefühlten Ewigkeiten warten wir auf das Eintreffen hochqualifizierter Einwanderer, die in ihren Schaluppen über das Mittelmeer schippern, um unsere Wirtschaft zu bereichern. Und was die Corona-Maßnahmen angeht, mag man auch nicht mehr recht glauben, dass sie irgendwann vorübergehen werden – also leugnet man ihren unfreiheitlichen Charakter von verantwortlicher Seite einfach ab.

Nun ist der Freiheitsbegriff sicherlich für jeden Menschen mit anderen Inhalten gefüllt. Man könnte einen großen philosophischen Bogen schlagen und darüber nachdenken, ob Menschen überhaupt jemals vollkommen frei sein können – denn bindende Verpflichtungen hat jeder von uns, den Beruf, die verantwortungsbewusste Mutter die Versorgung der Familie, der Geschäftsführer gegenüber dem Kunden und auch der Obdachlose gegenüber seinem Hund. Da mag jede Minute, die man für sich hat, ein kleines Stück Freiheit bedeuten.

Aber was versteht Katharina Schulze – und sie ist hier nur ein Beispiel – unter Freiheit? Die Freiheit, mir eine blaue oder gelbe Maske aufzusetzen? Die Freiheit, die der Krankenpfleger hat, sich gegen seinen Job oder für eine Impfung zu entscheiden? Sind wir so bescheiden geworden?

(Screenshot:Twitter)

Während der Wunsch nach Freiheit von staatlichen Zwangsmaßnahmen eigentlich recht klar definierbar ist, ist während des Corona-Regimes gerade der Begriff der Verantwortung oft reichlich überstrapaziert worden – und Schulzes Heimat Bayern tat sich dabei mit besonders strengen Maßnahmen hervor, die sich Markus Söder zur Abwendung von Tod und Verderben reichlich einfallen ließ. Das war sogar dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu viel des Guten, auch wenn es, wie derzeit üblich, erst lange im Nachhinein seine Missbilligung ausdrückte und Anfang dieses Monats rückwirkend die Verfassungswidrigkeit von Söders Coronamaßnahmen feststellte.

In Bayern schlug nach den Befürchtungen Söders das Virus vor allem in Sitzhöhe zu, weshalb es bekanntlich sogar verboten war, sich im Freien zum Lesen auf eine Bank zu setzen. Aber auch in anderen Bundesländern entwickelten sich Bratwurst und Eis zur tödlichen Bedrohung, sobald sie im Sitzen verzehrt wurden. Es ist die Absonderlichkeit der Regelungen, die einen an ihrer Sinnhaftigkeit zweifeln ließ – oftmals konnte man den Eindruck bekommen, man sei Teil eines Massentests geworden, inwieweit Bürger alles mit sich machen lassen, wenn es sich nur ein „Experte“ ausgedacht hat.

Vielleicht empfindet es Frau Schulze auch schon als Freiheit, nun Toilettenpapier wieder in drei und vier Lagen erwerben zu können, denn andere Freiheiten wurden ebenfalls die Toilette hinuntergespült. Zum Beispiel die Versammlungsfreiheit. Das ist Linken und Grünen vielleicht deshalb nicht aufgefallen, weil es ihre Klientel weit weniger betraf. Das Virus schlug nämlich niemals bei Black-Lives-Matter-Demos, Treffen von „erlebnisorientierten“ randalierenden Jugendlichen oder in Leipzig-Connewitz zu. Vorsicht, Ironie: Die Chinesen scheinen es tatsächlich so manipuliert zu haben, dass es vor allem Querdenker anfiel – vielleicht sollte man dieser Spur einmal nachgehen, denn bei Journalisten verhielt es sich ebenso. Die Meinungsfreiheit ließ eine Menge Federn in Zeiten diverser „Faktenchecker“.

Realitätsferne lässt verzweifeln

Nicht zu vergessen auch die Freiheit, sich vor Not und Depression von der Brücke stürzen zu dürfen: Im Lockdown machten auch viele Tagestreffs zu, die sonst eine zuverlässige Anlaufstelle für Obdachlose, Straßenprostituierte aber auch psychisch Erkrankte einen Rettungsanker im Alltag darstellten, einen Platz, um sich auch einmal mit anderen Menschen zu treffen, einen Kaffee zu trinken oder eine günstige Mittagsmahlzeit zu bekommen. Gerade für psychisch Erkrankte ist eine gewisse Tagesstruktur enorm wichtig, um nicht vollkommen in Tristesse zu versinken, aber auch die Werkstätten für behinderte Menschen wurden wochenlang geschlossen. Ist es Freiheit, untätig zuhause zu sitzen und das bisschen Würde, das man sich dort erarbeitet hatte, auch noch einzubüßen?

Die Realitätsferne von Politikern wie Katharina Schulze kann einem die Tränen in die Augen treiben. Vor allem, weil sie sich in einer Position befinden, in der sie sich gewisse Freiheiten einfach genommen haben, ohne mehr als einen medialen Klaps auf die Finger zu bekommen: Die frischgebackene SPD-Bundestagsfraktion präsentierte sich jüngst auf einem Gruppenfoto „oben ohne“ – nur Karl Lauterbach trug eine Maske. Doch auch er wurde zuvor schon ohne erwischt – im Zug und sogar im Reichstag. Bei internationalen Treffen wird dies ebenfalls oft nicht so eng gesehen. Jens Spahns Teilnahme an einer privaten „Charity-Party“ ist uns noch gut in Erinnerung, während gleichzeitig auch gesunde Menschen ihre eigenen Eltern nicht besuchen durften.

Aber man darf die Schuld daran nicht nur „denen da oben“ zuschieben. Das wäre zu bequem und zu einfach. Sie stoßen nämlich auf eine autoritätshörige Gesellschaft, die keine Widersprüche noch in den albernsten Regeln zu erkennen vermag. Besonders erschreckend: Vor allem jüngere Bürger machen scheinbar das Rennen begeistert mit. Was da in den sozialen Medien zu lesen ist, lässt einen ahnen, wie sehr sie sich sogar vor Freiheit fürchten. Man darf sich wieder die Hände schütteln? Unfassbar! Sie sind auch die fleißigsten Denunzianten bei winzigsten Verstößen und glauben, damit Gutes zu tun. Da finden sich Topf und Deckel.

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