Horst D. Deckert

Kurz und die Justiz: Sonderbehandlung für den Kanzler

Das Justizministerium gibt den Wünschen von Bundeskanzler Sebastian Kurz nach und gesteht ihm eine Befragung durch einen Richter zu. Damit gewinnt der Kanzler angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen vermutlich Zeit. Zudem nutzt die ÖVP die Entscheidung für weitere Angriffe auf die Justiz. Für die Opposition ist das eine Unverfrorenheit.

  • Justizministerium stimmt dem Anwalt des Kanzlers zu. Kurz muss von einem Richter einvernommen werden.
  • Begründet wird dies mit Kurz Eigenschaft als amtierender Kanzler. Doch schon zuvor wurden Kanzler durch die Staatsanwaltschaft befragt.
  • Entspricht die grüne Justizministerin dem Kanzler-Wunsch um die Koalition nicht zu gefährden?
  • Opposition kritisiert die Entscheidung als Sonderbehandlung und sieht Unververfrorenheit der ÖVP

Nun ist es amtlich. Die Grünen opfern für die Koalition und das „Mit-regieren“ dürfen sämtliche Grundsätze. Aus der selbsternannten angeblichen Aufdeckerpartei ist eine komplette Zudeckerpartei geworden. Anders ist das Einknicken der grünen Justizministerin Alma Zadic vor den Türkisen nicht zu verstehen. Denn dass Bundeskanzler Sebastian Kurz wegen seiner mutmaßlichen Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss von einem Richter und nicht von der zuständigen Staatsanwaltschaft befragt wird, ist sonst nicht wirklich erklärlich.

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Ausschließlich rechtliche Gründe?

Aus dem Justizministerium wurde zu dem Fall verlautbart, dass es ausschließlich rechtliche Gründe seien, die dazu führten, dass der Kanzler nicht von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sondern von einem Richter zu seiner mutmaßlichen Falschaussage vor dem U-Ausschuss befragt werde. Denn in Paragraph 101 Absatz 2 Strafprozessordnung heißt es, dass eine gerichtliche Beweisaufnahme zu beantragen sei, wenn wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Dies sah man im Justizministerium gegeben, handelt es sich doch erstmals um Ermittlungen gegen einen amtierenden Bundeskanzler.

Aber diese Begründung wirkt etwas konstruiert. Denn schon zuvor wurde gegen amtierende Bundeskanzler ermittelt. Etwa gegen Werner Faymann (SPÖ) wegen der Inseratenaffäre. Dieser wurde damals allerdings von der Staatsanwaltschaft einvernommen. Hat Zadic also um den „Koalitionsfrieden“ zu erhalten den Wünschen von Kurz entsprochen? Andere vermuten hingegen, dass Kurz dadurch Zeit gewinnen will. Denn es dauert bis sich ein Richter in den umfangreichen Akt eingearbeitet hat und selbst dann wird er ihn vermutlich nicht so gut kennen, wie der ermittelnde Staatsanwalt. Damit wären zumindest die anstehenden Landtagswahlen lange vorbei.

Weitere Angriffe der ÖVP auf Justiz

Denn kaum war dem Antrag des Kanzleranwalts auf richterliche Befragung stattgegeben, ritt der ÖVP-Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss Andreas Hanger wieder gegen die Justiz aus. Er sah in der Entscheidung des Ministeriums ein Indiz dafür, dass die WKStA nicht objektiv sei. Einzelne Staatsanwälte der WKStA hätten schon bei der BVT-Razzia und vielen anderen Aktionen gezeigt, dass sie von Objektivität weit entfernt sind, ereiferte sich Hanger in einer Presseaussendung. Die Opposition zeigte sich fassungslos vom Agieren der schwarz-türkisen Regierung. Für FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst offenbarte sich eine „Unverfrorenheit von ÖVP-Kanzler Kurz“, die „langsam unerträglich“ werde. Die SPÖ sprach von einer „Sonderbehandlung“ für Kurz und sah ein Einknicken des Justizministeriums vor dem Bundeskanzler. Und auch die Neos sahen einen Versuch die Justiz zu diskreditieren.

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