Horst D. Deckert

Politik-Analyst aus Shanghai über den Ukraine-Krieg: „Deutschland muss etwas unternehmen, anstatt sich manipulieren zu lassen“

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Sonderlich erfolgreich war die dreitägige China-Reise des Bundeskanzlers nicht: Sein Hauptanliegen, China solle Russland zur Beendigung des Ukraine-Kriegs bewegen, hatten die Gastgeber mit höflichen, aber nichtssagenden Phrasen abgetan. Der chinesische Politikwissenschaftler Gao Jian von der Shanghai International Studies University ermöglicht in einem aufschlussreichen Interview mit der „Berliner Zeitung“ einen Blick über den Tellerrand des „Wertewestens“.

Gao Jian betont die in China weitverbreitete Ansicht, dass der Krieg in der Ukraine vermeidbar gewesen wäre: „Wenn vor zwei Jahren der Westen Russland garantiert hätte, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen werden würde, hätte Putin sicher anders reagiert.“ Aus chinesischer Perspektive ist der Ukraine-Krieg ein „europäischer Krieg“, der wesentlich zu Lasten Deutschlands geht, das für diesen Krieg „eine Menge geopfert“ habe.

„In China wird Deutschland als eine Art Sündenbock für die Ukraine betrachtet“, konstatiert der Politik-Analyst: „Deutschland hat niedrige Energiepreise geopfert. Die Produktionsbedingungen haben sich verschlechtert, Kapital fließt in andere Länder. Insgesamt ist die Situation für die deutsche Wirtschaft derzeit sehr schlecht.“

Um eine friedliche Lösung zu finden, müssten „alle Beteiligten an der Ukrainekrise einbezogen werden“, appelliert Gao Jian an die deutsche Politik, ihre einseitige Fixierung zu überwinden: „Deutschland muss etwas unternehmen, anstatt sich manipulieren zu lassen.“ Unter solchen Voraussetzungen sei auch China bereit, an Friedensgesprächen mitzuwirken. Kritik an der Haltung Chinas sei „unangemessen“: „China pflegt normale Beziehungen zu Russland. China hat das Recht, seine eigenen nationalen Interessen zu entwickeln und zu verteidigen.“

Was die deutsch-chinesischen Beziehungen angeht, ist der chinesische Analyst optimistisch: „Deutschland und China haben keine geopolitischen Konflikte.“ Stimmen aus der EU, die eine „Entflechtung“ fordern, beeindrucken ihn wenig; und auch „die Chinastrategie, die vom deutschen Außenministerium herausgegeben wurde, nehme ich persönlich nicht sehr ernst“, unterstreicht Gao Jian und sagt in diplomatischen Worten recht deutlich, was er von Annalena Baerbock hält: „Das Außenministerium wird von einer Vertreterin der ‚grünen‘ Partei geführt. Ich werde mich nicht persönlich über die Ministerin äußern. Aber ich habe den Eindruck, dass es auch in Deutschland großes Unverständnis über ihren Chinakurs gibt.“ Und nicht nur über diesen, könnte man getrost hinzufügen.

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