Keine Politik ist derzeit heikler als die, die Geschlechtsumwandlung und Kinder betrifft. Umso wichtiger ist es, dass die Forschung zu diesem Thema auf der Grundlage der besten wissenschaftlichen Erkenntnisse erfolgt, damit die politischen Entscheidungsträger die nötigen Einsichten gewinnen, um das Richtige zu tun. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der Peer-Review-Prozess, der die Qualität der Forschung sicherstellen soll, versagt.
Nehmen wir die jüngste Studie «Anti-Transgender rights legislation and internet searches pertaining to depression and suicide» (Anti-Transgender-Gesetzgebung und Internet-Suchanfragen zu Depression und Selbstmord), die im Dezember 2022 in PLOS One, einer hoch angesehenen multidisziplinären Zeitschrift, veröffentlicht wurde.
Die Autoren behaupten, einen Zusammenhang zwischen der Verabschiedung von Gesetzen, die sich gegen Transgender richten, und Google-Suchanfragen nach «Depression» und «Selbstmord» nachzuweisen, die stellvertretend für psychische Probleme stehen könnten. Sie behaupten, dass «die Verabschiedung eines einzigen [Anti-Trans-]Gesetzentwurfs zu einem 13- bis 17-prozentigen Anstieg der Suchanfragen nach dem Wort ‹Selbstmord› in diesem Staat führte» und dass «für jeden Anti-Trans-Gesetzentwurf, der in einer Woche verabschiedet wurde, ein etwa fünfprozentiger Anstieg der Suchanfragen nach dem Wort ‹Depression› zu verzeichnen war».
Die Ergebnisse sind provokant, und es ist vorhersehbar, dass die Studie die Aufmerksamkeit prominenter Transgender-Aktivisten wie Jack Turban und Erin Reed auf sich zog und auch von MSNBC beworben wurde. Dennoch ist die Studie eine komplette Täuschung – eine, die den Gutachtern von PLOS One hätte auffallen müssen.
Peer-Reviews sollen streng sein, wobei Experten eine Studie durchgehen, Fehler finden und Änderungen verlangen, bis alle möglichen Probleme behoben sind. Doch bei dieser Studie ist offensichtlich etwas gründlich schief gelaufen.
Zunächst einmal nennen die Autoren nur zwei Gesetze, die sie als «transfeindlich» bezeichnen, und beide wurden in Idaho in der Woche vom 22. März 2020 verabschiedet – als eine sehr reale Krise der öffentlichen Gesundheit, Covid-19, in aller Munde war. Allein diese Tatsache hinderte die Autoren daran, ihre Hypothese präzise zu testen, und hätte PLOS One dazu veranlassen müssen, die Studie umgehend abzulehnen.
Die Studie hat noch ein weiteres Problem: Die Google-Trends-Daten für Selbstmord-Suchanfragen in Idaho lagen in dieser Woche unter dem Landesdurchschnitt für das Jahr und entsprachen den nationalen Trends. Ebenso entsprachen die Suchanfragen nach «Depression» den nationalen Trends und lagen geringfügig über dem Landesdurchschnitt für das Jahr.
Wie kamen die Autoren also zu ihrer Schlussfolgerung? Da Google-Suchanfragen ständig schwanken, führten sie eine ausgeklügelte Analyse durch, um zu versuchen, Veränderungen im Suchvolumen für «Selbstmord» und «Depression» zu finden, die durch die «Anti-Trans»-Gesetzgebung und nicht durch zufällige Schwankungen oder andere Faktoren verursacht wurden.
Die Methodik für diese Analyse ist jedoch mit so tiefgreifenden technischen Fehlern behaftet, dass selbst ein flüchtiger Blick auf die Ergebnisse deren Absurdität hätte aufdecken müssen.
Kein Einzelfall
Es wäre eine Sache, wenn dieses Versagen des Peer-Review-Verfahrens ein Einzelfall gewesen wäre, aber das ist es nicht. Wenn es um Gender-Medizin geht, scheint das Peer-Review-Verfahren durchweg zu versagen. Die Qualität der Evidenzbasis ist von Anfang an ein Problem gewesen.
Kritiker haben bei zwei holländischen Studien, die den derzeitigen US-amerikanischen Pflegestandards für die pädiatrische Gender-Medizin zugrunde liegen, Alarm geschlagen. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass die Arbeit «methodisch mangelhaft ist und niemals als Rechtfertigung für die Ausweitung dieser ‹innovativen klinischen Praxis› in medizinischen Einrichtungen hätte verwendet werden dürfen».
Die Kernprobleme der niederländischen klinischen Studien sind weitgehend dieselben wie die der inzwischen in den Vereinigten Staaten veröffentlichten Studien. Im Grossen und Ganzen neigen Studien zur Gender-Medizin dazu, Veränderungen in den Selbstberichten über Dysphorie (eine psychische Störung, die sich vor allem auf den Antrieb und die Stimmung auswirkt) als Erfolg zu feiern, aber nicht zu bewerten, ob sie im Laufe der Zeit zu einer Verbesserung der psychischen Gesundheit führen, keine Kontrollgruppen zu verwenden, um zu bewerten, wie die Ergebnisse mit anderen therapeutischen Ansätzen zu vergleichen sind, und die langfristigen Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit nicht zu untersuchen.
Dies sind schwerwiegende Probleme, und die Forscher und Organisationen, die diese Studien anpreisen, verdienen es, wegen ihrer mangelnden Offenheit gegenüber den Einschränkungen kritisch beäugt zu werden. Dennoch scheinen diese Studien zumindest die Daten getreu wiederzugeben. Was die neue PLOS One-Studie so beunruhigend macht, ist, dass sie den Anschein von Empirie erweckt, um zu einer falschen Schlussfolgerung zu gelangen.
Der Redaktionsprozess bei PLOS One wurde in einem anderen Fall in Frage gestellt. Die Zeitschrift zwang die Assistenzprofessorin Lisa Littman von der Brown University, kleinliche und substanzlose «Korrekturen» an ihrer Studie aus dem Jahr 2018 vorzunehmen, in der sie behauptete, dass «schnell einsetzende Geschlechtsdysphorie» ein sozialer Bewältigungsmechanismus ist. Die Korrekturen folgten auf Proteste von progressiven Aktivisten. Mit anderen Worten: Die Zeitschrift nimmt ihre Rolle als Gatekeeper ernst – allerdings nur, wenn es um politische Dogmen geht, nicht um wissenschaftliche Strenge.
Man würde hoffen, dass dieses Fachwissen bei der Erforschung der Gender-Medizin und der sie umgebenden Gesetze und Politiken zum Tragen käme. Das ist nicht der Fall, und die politischen Entscheidungsträger sollten sich eine gesunde Skepsis bewahren, wenn Aktivisten die «Wissenschaft» anpreisen.
***
Ian Kingsbury ist Forschungsdirektor bei Do No Harm.