Horst D. Deckert

Vetternwirtschaft im Verkehrsministerium?

Fragwürdige Förderentscheidungen und ein unzureichender Umgang mit Interessenkonflikten: Der neueste Fall in Volker Wissings Bundesverkehrsministerium zeigt erneut, dass schärfere Regeln nötig sind.

Strukturelles Versagen im Umgang mit Interessenkonflikten

Interessenkonflikte in den Bundesministerien haben in den letzten Monaten mehrmals für schlechte Schlagzeilen gesorgt. Ende Juli veröffentlichte das Handelsblatt neue Recherchen, die erneut ein Schlaglicht auf den mangelhaften Umgang mit Interessenkonflikten warfen. Diesmal im Fokus: Millionenschwere Förderentscheidungen und mögliche Interessenkonflikte beim Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesverkehrsministerium – eine Schlüsselposition in Volker Wissings Haus.

Freundschafts-Netzwerke und Fördergelder

Dr. Klaus Bonhoff, der 2019 vom damaligen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ins Ministerium geholt wurde, soll demnach enge private Kontakte zu Personen unterhalten haben, die direkt oder indirekt von Fördergeldern in Millionenhöhe im Bereich Wasserstoff- und Brennstoffzellen profitierten. Bonhoff war wohl nicht in alle fraglichen Entscheidungen direkt eingebunden. Die Fördergeldentscheidungen wurden aber in der von ihm geleiteten Abteilung bzw. von von dieser beaufsichtigten Stellen getroffen. Der Verweis des Ministeriums, Bonhoff sei in einige der konkreten Förderentscheidungen persönlich gar nicht eingebunden gewesen, ist daher nicht geeignet, um den Vorwurf zu entkräften: Wenn der Chef der Abteilung eng befreundet ist mit von öffentlichen Fördergeldern profitierenden Unternehmern und Verbandschefs und in den gemeinsamen Ski-Urlaub fährt, genügt es nicht, auf die niedrigeren Hierarchieebenen zu verweisen, um einen Interessenkonflikt von sich zu weisen.

Nach den aktuell gültigen Regeln in den Ministerien hätte Bonhoff seine Interessenkonflikte zwar nicht in jedem Fall anzeigen müssen. Das heißt aber nicht, dass die Vorgänge damit in Ordnung sind. Das Problem liegt hier eher in den mangelnden Regeln und Verfahren zum Umgang mit Interessenkonflikten.

Das illustriert auch eine weitere Interessenverquickung: Klaus Bonhoff erhielt im November 2021 eine – durchaus prestigeträchtige – Honorarprofessur von der TU Hamburg. Zu einem fragwürdigen Vorgang wird das, da dieser Lehrstuhl ebenfalls Aufträge und damit Gelder erhält von Bonhoffs, nun Prof. Bonhoffs, Abteilung im Verkehrsministerium. Zusätzlich bekommt der Lehrstuhl auch Gelder der bundeseigenen, dem Verkehrsministerium unterstellten NOW GmbH, deren Chef Bonhoff von 2012 bis 2019 selbst war, bis Verkehrsminister Scheuer ihn ins Ministerium holte. Laut Handelsblatt soll Bonhoff sich stark um die Professur bemüht haben, sie war ihm offenbar wichtig.

Wohin flossen die fraglichen Gelder?

Zu dem ski-fahrenden Freundeskreis gehört nach Recherchen des Handelsblatts der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbands DWV. Der Verband soll eine Zusage über stattliche 1,8 Millionen Euro aus dem von Bonhoffs Abteilung verantworteten Fördertopf „Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ erhalten haben. Mit dem Geld sollte ein „Netzwerk für den Wissens- und Erfahrungsaustausch“ geschaffen werden, wie der Verbandsvorstand nach der Vergabe kundgab.

Fraglich ist hier, ob die freundschaftliche Beziehung bei der Vergabe eine Rolle spielte und ob ein möglicher Interessenkonflikt zumindest im Verkehrsministerium bekannt war. Merkwürdig ist, dass die Förderrichtlinien des Innovationsprogramms Verbände gar nicht als Empfänger von Geldern aus dem Topf vorsehen. Gegenüber dem Handelsblatt argumentierte das Verkehrsministerium, Ausnahmen seien eben möglich. Nach bisherigen Erkenntnissen war Bonhoff an der Förderentscheidung für den DWV allerdings formal nicht direkt beteiligt.

Bei der zweiten privaten Verbindung von Bonhoff soll es sich um einen bayerischen Unternehmer handeln, Mitglied im DWV und Gründer mehrerer Firmen im Wasserstoff- und Brennstoffzellenbereich. Hier geht es um deutlich höhere Beträge, die aus dem öffentlichen Fördertopf zu Unternehmungen des mutmaßlichen Ski-Freundes flossen: 26 Millionen Euro. Darunter waren Gelder für einen Elektrolyseur zur Herstellung von Wasserstoff. Zum Spatenstich des Projektes reiste Bonhoff laut Handelsblatt persönlich an. An der Förderentscheidung soll er aber laut Ministerium ebenfalls nicht direkt beteiligt gewesen sein.

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Geld für ein Wasserstoffzentrum in Höhe von 72,5 Millionen Euro

Anders sieht das bei einem Projekt aus, für das sogar 72,5 Millionen Euro vorgesehen sind. Damit soll eines von vier sogenannten „Innovations- und Technologiezentren Wasserstoff (ITZ)“ aufgebaut werden. Ursprünglich war nur ein Standort geplant, Ex-Minister Andreas Scheuer entschied 2021 aber, dass es vier Standorte geben sollte, darunter in Pfeffenhausen im niederbayerischen Landkreis Landshut. Der mit Bonhoff befreundete Unternehmer koordinierte mit seinem Unternehmen den Aufbau und hat nach eigener Aussage die „süddeutsche Bewerbung für einen ITZ-Standort initiiert“.

Schon bei der Entscheidung für vier statt nur einem Standort regte sich Kritik. So warf der Chemnitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Deflef Müller dem damaligen Verkehrsminister Scheuer vor, „die Mittelvergabe an die Standorte und die Verteilung der Forschungsschwerpunkte zugunsten des bayerischen Mitbewerbers verschoben“ zu haben (Quelle: Spiegel). Damals war der private Kontakt zwischen Bonhoff und dem bayerischen Unternehmer noch gar nicht bekannt, die den Vorgang nun in anderem Licht erscheinen lassen. Dass Andreas Scheuer sich dafür einsetzte, öffentliche Gelder in seine Heimatregion Niederbayern zu investieren, mag nicht sonderlich überraschen. Scheuers Amtsnachfolger Wissing muss nun aber aufklären, ob und wenn welche Rolle eine mögliche freundschaftliche Beziehung zwischen Bonhoff und dem von der Vergabe nach Landshut wesentlich profitierenden Unternehmer spielte.

Handlungsbedarf für Volker Wissing und die Bundesregierung

Auch wenn Klaus Bonhoff noch von Andreas Scheuer ins Ministerium geholt wurde, muss Volker Wissing nun die Verantwortung übernehmen und die fraglichen Vorgänge vollständig aufklären. Bislang gaben sich der Minister und sein Ministerium zugeknüpft und verwiesen auf die laufende Prüfung. Nun soll zum Ende der Woche ein Zwischenbericht vorgelegt werden.

Doch auch über den Einzelfall hinaus besteht Handlungsbedarf. Graichen, nun Bonhoff und weitere problematische Fälle allein in dieser Wahlperiode sollten für die Bundesregierung Anlass genug sein, die Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten in Ministerien und Behörden grundlegend zu verschärfen und die Kontrolle und Aufsicht auf neue Füße zu stellen. Dazu haben wir bereits im Mai anlässlich der Graichen-Debatte Vorschläge gemacht.

Wir sehen hier auch Bundeskanzler Scholz in der Pflicht, Prioritäten zu setzen. Insbesondere für die Stellen in den Ministerien mit hoher Verantwortung und entsprechendem Einfluss sollten besonders klare und strenge Regeln gelten, die umfassender sein sollten, als die allgemeinen Regelungen für alle Beamten und Beschäftigten in den Bundesbehörden. Dies gilt neben den Minister:innen insbesondere für die Staatssekretär:innen und die Abteilungsleiter:innen.

Einseitige Ausrichtung auf Wasserstoff und Brennstoffzelle

Grundsätzlich sollte Minister Wissing sich aber auch fragen, ob Klaus Bonhoff mit seiner großen Nähe zur Brennstoffzelle überhaupt die richtige Besetzung für die Grundsatzabteilung ist. Sie entscheidet über die Rahmenbedingungen für neue Antriebe in Lastwagen und PKWs. Bonhoff hat schließlich sein Berufsleben weitgehend der Brennstoffzelle gewidmet und war sogar an – inzwischen abgelaufenen – Patenten dazu beteiligt.

Ob das Ministerium von diesen Patenten bei seiner Berufung zum Abteilungsleiter wusste, ist eine weitere offene Frage. Gültig waren die Patente jedenfalls noch, als Bonhoff 2008 zum Chef der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW GmbH) wurde. Dieses bundeseigene Unternehmen untersteht dem Verkehrsministerium und spielt eine maßgebliche Rolle bei der Verteilung von Steuergeldern im Wasserstoffbereich. Als Inhaber von Patenten in eben jenem Bereich hat Bonhoff jahrelang an Entscheidungen mitgewirkt, von denen er selbst auch wirtschaftlich profitieren haben könnte. Auch hierzu sollte Wissing: War dem Ministerium bekannt, dass Bonhoff als NOW-Chef selbst über die Patente verfügte?

Kritik an der einseitigen Förderpolitik des Ministerium gab es jedenfalls in den letzten Jahren von verschiedenen Seiten. Der Spiegel berichtet u.a. über Beschwerden über die intransparente Vergabepraxis von Fördergeldern für Logistikunternehmen, die klimafreundliche LKWs anschaffen wollen. So beklagt unter anderem der Präsident des Bundesamtes für Logistik und Mobilität (BALM) intransparente und ausbleibende Förderpraxis. Auch mehrere Branchenverbände beschwerten sich, darunter der Bundesverband Elektromobilität im März 2023 in einem Brief. Insgesamt ist bei vielen Akteuren der Eindruck entstanden, dass in der Abteilung die Elektromobilität ausgebremst wird.

Zugleich verdichtet sich das Bild, dass um Abteilungsleiter Bonhoff ein bis ins Private hineinreichendes Netzwerk vonWasserstoffakteuren besteht, das kräftig von Fördergeldern profitiert.

Ein Abteilungsleiter, der so stark für eine bestimmte Technologie steht, dass er im Ministerium wohl sogar den Spitznamen „Mr. Wasserstoff“ trägt, passt eigentlich nicht zum von FDP immer wieder vorgetragenen Credo der „Technologieoffenheit“.

Minister Wissing muss nun dringend die konkreten Vorgänge aufklären und die Förderpolitik im Verantwortungsbereich der Grundsatzabteilung überprüfen sowie sich in seinem Ministerium und darüber hinaus für strengere und klare Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten einsetzen.

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