Horst D. Deckert

Warum das Terrorismus-Gesetz gefährlich ist

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Die Menschenrechtsorganisation «Amnesty International» und viele andere Organisationen lehnen das Bundesgesetz «Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus PMT» entschieden ab – und dies aus gutem Grund. Bereits im parlamentarischen Prozess wiesen viele NGOs und über 60 Rechtsexperten auf die Gefahr für unsere Menschenrechte hin.

Das PMT-Gesetz gibt der Bundespolizei die fast unbegrenzte Macht, gegen unschuldige Erwachsene und Kinder Zwangsmassnahmen zu ergreifen. Und dies ohne Verdacht auf eine Straftat oder richterliche Prüfung. Das Gesetz fördert nicht Sicherheit, sondern Willkür. Es gefährdet die Grundrechte, stigmatisiert Menschen und erinnert an Methoden autoritärer Regimes. Deshalb: Nein am 13. Juni!


Hier nochmals die wichtigsten Argumente gegen das PMT-Gesetz vom Initiativkomitee:

Einschränkung der Menschenrechte

Die im Polizeigesetz vorgesehenen Zwangsmassnahmen – elektronische Überwachung, Kontaktverbot, Ein- und Ausgrenzungen, Ausreiseverbote und Hausarrest – haben schwere Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen und ihrer Familien. Grundlegende Menschenrechte wie die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie auf Arbeit und Bildung werden massiv eingeschränkt. So wird nicht Sicherheit geschaffen, sondern Grundrechte geschwächt und Menschen ausgegrenzt und marginalisiert.

Vage Begriffe mit gefährlichen Folgen

Das Polizeigesetz bedient sich absichtlich vager Rechtsbegriffe, die dem Bundesamt für Polizei (fedpol) einen sehr weitgehenden Ermessensspielraum lassen und das Risiko von unverhältnismässigen und willkürlichen Eingriffen in die Menschenrechte mit sich bringen. Besonders problematisch sind die vagen Kriterien für die Anordnung von Massnahmen sowie die extrem weit gefasste Definition einer «terroristischen Aktivität».

Prognosen über die zukünftige Gefährlichkeit

Für die Anordnung der Zwangsmassnahmen reichen der fedpol «Anhaltspunkte», die darauf hinweisen, dass die Person in ungewisser Zukunft «eine terroristische Aktivität» ausüben könnte. Die präventiven Massnahmen werden also aufgrund von Mutmassungen über Absichten und künftige Handlungen einer Person angeordnet – und werden zwangsläufig auch Menschen treffen, von denen nur vermeintlich eine Gefahr ausgeht.

«Terror»-Definition: Alle unter Generalverdacht

Als «terroristische Aktivität» gilt bereits die «Verbreitung von Furcht und Schrecken» mit politischen Absichten. Bei dieser Definition wird weder ein Strafdelikt vorausgesetzt noch die Anwendung oder Androhung von Gewalt, was die internationalen Standards verlangen. So kann selbst legitimer politischer Protest wie etwa der Klimastreik als «terroristisch» gelten.

Geheime Informationen, fehlende Transparenz

Die Auslegung dieser bewusst vage gehaltenen Kriterien liegt ausschliesslich im Ermessen der Fedpol und sie stützt sich in der Regel auf geheime, nachrichtendienstliche Informationen, die sich nicht oder nur schwer überprüfen lassen. Da eine betroffene Person meist keinen Zugang zu diesen Informationen hat, sind ihr die Verdachtsgründe bzw. «Anhaltspunkte» gar nicht bekannt, was das Anfechten der Massnahmen erheblich erschwert.

Keine richterliche Prüfung der Massnahmen

Das Fedpol kann die Massnahmen ohne richterliche Genehmigung anordnen, nach eigenem Ermessen und mit sofortiger Wirkung. Das Gesetz sieht (mit Ausnahme des Hausarrests) keine gerichtliche Überprüfung vor. Die Betroffenen werden kaum eine Möglichkeit haben, sich gegen die Massnahmen zur Wehr zu setzen. Zwar können sie gegen einen Entscheid im Nachhinein Beschwerde einlegen, doch hat diese keine aufschiebende Wirkung. Auch zu Unrecht verdächtigte Personen werden so der Willkür der Polizei ausgeliefert.

Paralleles Rechtssystem ohne Verfahrensgarantien

Die polizeilichen Kompetenzen betreffen nicht die Aufklärung und Verfolgung mutmasslicher Straftaten, sondern sollen sich im präventiven Bereich entfalten und sind somit dem Strafrecht vorgelagert. Dies führt zur Umgehung der regulären Strafjustiz, ihrer Grundsätze und verfahrensrechtlichen Garantien. Damit entsteht ein paralleles Rechtssystem, das der strafrechtlichen Repression gleichkommt, aber nicht die im Strafrecht verankerten verfahrensrechtlichen Garantien bietet.

Aufhebung der Unschuldsvermutung

Die im Strafrecht garantierte Unschuldsvermutung erfordert, dass die Strafverfolgungsbehörde die Schuld einer Person, die eines Deliktes verdächtigt wird, beweisen muss. Da gemäss Polizeigesetz kein Tatverdacht vorliegen muss, brauchen die Behörden auch keine Beweise mehr zu erbringen. Es reichen «Anhaltspunkte» über die mutmassliche Gefährlichkeit einer Person. Um die Massnahmen anzufechten, muss eine betroffene Person daher den unmöglichen Beweis ihrer «Ungefährlichkeit» erbringen. Damit schafft das Gesetz eine rechtlich unhaltbare Gefährdungsvermutung.

Gefahr für die Meinungsfreiheit

Die im Gesetz vorgesehene weit gefasste Definition einer «terroristischen Aktivität» birgt die Gefahr, Handlungen zu verfolgen, die im Hinblick auf das Recht auf freie Meinungsäusserung legitim sind. Damit kann das Gesetz ein Angstklima schaffen, das eine abschreckende Wirkung auf die Meinungs- und Pressefreiheit hätte und viele Menschen, darunter politische Aktivistinnen oder Journalisten, zur Selbstzensur drängt.

Stigmatisierung ganzer Gruppen

Beim Polizeigesetz besteht die Gefahr, dass sich der Verdacht nicht mehr wie im Strafrecht gegen einzelne Personen richtet, sondern als Generalverdacht gegen ganze Gruppen, in denen «Gefährder» vermutet werden. Wie sollen potenziell gefährliche Personen überhaupt erkannt werden? Eine Kombination von Merkmalen (Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion…) wird für die Behörden zum Ausgangspunkt für ein Profiling und für Überwachung – und für die Betroffenen zu einem Risikofaktor. Dieses Vorgehen kann zur Stigmatisierung und Marginalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen führen.

Hausarrest: Willkürlicher Freiheitsentzug

Mit dem Polizeigesetz wird es möglich, Menschen auf blossen Verdacht hin für mehrere Monate in einer Liegenschaft einzusperren. Diese Massnahme kommt gemäss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) einem Freiheitsentzug gleich. Der Hausarrest stellt somit eine Freiheitsstrafe ohne Anklage, ohne Strafverfahren und ohne Verurteilung dar – und verletzt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK).

Missachtung von Kindeswohl und Kinderrechten

Die Zwangsmassnahmen können gegen Kinder ab 12 Jahren (bzw. ab 15 bei Hausarrest) eingesetzt werden. Diese tiefen Altersgrenzen stehen im Konflikt mit dem Schweizer Jugendstrafrecht und den menschenrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz, die sich aus der Uno-Kinderrechtskonvention ergeben. Während das Jugendstrafrecht und das Völkerrecht der sozialen Wiedereingliederung den Vorrang einräumen, haben die Zwangsmassnahmen im Polizeigesetz einen strafenden Charakter und die Stigmatisierung von Kindern und Jugendlichen zur Folge. Erschwerend kommt dazu, dass das Gesetz den Minderjährigen, die den polizeilichen Massnahmen unterstehen, keine besonderen Verfahrensrechte einräumt.

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