Horst D. Deckert

Warum hat Niger die US-Militärpräsenz auf dem eigenen Territorium für illegal erklärt?

Nur wenige Monate nachdem Nigers ehemaliger Kolonialherr Frankreich zum Abzug seiner Truppen gezwungen wurde, hat das größte Land Westafrikas die Anwesenheit von US-Truppen für illegal erklärt. Dies könnte ein schwerer Schlag für die Machtprojektion des US-Militärs in der Region sein. (Machtprojektion bezeichnet die Fähigkeit eines Staates, politische Interessen mit Androhung oder Anwendung von Gewalt auch weit entfernt vom eigenen Territorium durchzusetzen, Anm. d. Red.)

Am Samstag, dem 16. März, erklärte Niger die US-Militärstationierung auf seinem Territorium für „illegal“, nachdem eine US-Delegation dem größten Land Westafrikas, wegen seiner Beziehungen zu Russland und dem Iran, angeblich mit „Vergeltungsmaßnahmen“ gedroht hat.

Die USA sind mit der Aussicht konfrontiert, drei strategisch wichtige Militärstützpunkte zu verlieren, darunter eine der größten Drohnenbasen der Welt – in der zentralnigrischen Stadt Agadez –, für die die USA eine Viertelmilliarde Dollar ausgegeben haben [1]. Eine Stellungnahme der USA steht noch aus. Eine für Sonntag angesetzte Pressekonferenz in der US-Botschaft in Nigers Hauptstadt Niamey – vor der sich am Samstag Demonstranten versammelt hatten, um gegen die amerikanische Einmischung zu protestieren [2] – wurde abgesagt [3].

Alles, was Matthew Miller, der Pressesprecher des US-Außenministeriums, bisher in einem X-Posting als Reaktion zu sagen hatte, war [4]: „Wir stehen in Kontakt“ mit der nigrischen Regierung „und werden bei Bedarf weitere Updates bereitstellen“.

Das mehr als dreitägige Ausbleiben einer Reaktion, nachdem die US-Militärpräsenz für illegal erklärt wurde, verrät einen Zustand der Überraschung über die Aktion der nigrischen Militär-Übergangsregierung, dem Nationalen Rat für den Schutz des Vaterlandes (CNSP, franz. Conseil national pour la sauvegarde de la patrie, Anm. d. Red.).

Im Dezember wurde der ehemalige Kolonialherr Frankreich gezwungen, alle Truppen aus dem Land abzuziehen. Dies geschah auf Anweisung der CNSP, der nach der Absetzung des damaligen Präsidenten Mohamed Bazoum Ende Juli 2023 gebildet wurde.

Massendemonstrationen begrüßten den Militärputsch gegen Bazoum. Im Niger hatte Bazoum sein Image als Marionette Frankreichs noch weiter verfestigt, als er Proteste, die den Abzug der französischen Truppen forderten, niederschlagen ließ.

General Abdourahamane Tiani, der damalige Chef der Präsidentengarde, hatte den Staatsstreich angeführt. Er gründete daraufhin mit Unterstützung der Bevölkerung, einschließlich der Gewerkschaften und der Protestbewegung, gegen die französische Präsenz die CNSP.

Frankreich weigerte sich zunächst, der Aufkündigung der militärischen Abkommen mit Niger durch den CNSP im August nachzukommen und den Abzug seiner Truppen anzuordnen. Nach einer mehr als einmonatigen angespannten Patt-Situation, in der es fast täglich zu wütenden Protesten vor dem französischen Stützpunkt und der französischen Botschaft kam, gab Frankreich im September doch nach und zog seine Truppen im Dezember ab. Andere EU-Länder folgten Frankreich und zogen ihre kleineren Kontingente ab. [5]

Ein frühmorgendliches Satellitenbild zeigt eine Drohne auf dem Flughafen Dirkou in Niger. Nach Angaben der New York Times, werden von diesem Flughafen aus seit mindestens 2018 Drohnen eingesetzt. Planet’s Konstellation von SkySats ermöglicht Aufnahmen zu verschiedenen Tageszeiten, auch außerhalb der typischen Überflugzeiten am Vormittag und Überflugzeitfensters am frühen Nachmittag. Eine General Atomics MQ-9 Reaper-Drohne ist außerhalb eines Hangars zu sehen, 3.3.2021. (Foto: SkySat, Wikimedia Commons, CC-BY-2.0)

Der Versuch Frankreichs, die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS, Economic Community of West African States, Anm. d. Red.) für einen Krieg gegen Niger zu mobilisieren, ist gescheitert. Mali, Burkina Faso und Niger kündigten daraufhin ihren Austritt für Januar 2024 an. Dadurch stürzte der Block in eine existenzielle Krise, mit der Aussicht, die Hälfte seiner Landfläche zu verlieren. [6]

Um Abstand von den Spannungen in der Hauptstadt während des Konflikts mit Frankreich zu gewinnen, verlegten die USA – die zu diesem Zeitpunkt rund 1.100 Soldaten im Niger hatten – im September einen Teil ihrer Mittel und Truppen von der Airbase 101 in Niamey zu der 900 km entfernten Airbase 201 in Agadez.

„Wir haben Hunderte Millionen Dollar in die Basen dort investiert“

Die Airbase 201, die sich über eine Fläche von 25 Quadratkilometern erstreckt und seit 2019 in Betrieb ist, ist mit Kosten von 110 Mio. USD die größte jemals von der US-Luftwaffe errichtete Anlage [7]. Ihre Instandhaltung kostet jährlich etwa 30 Mio. USD. Wie The Intercept im vergangenen September berichtete, haben die USA seit dem Baubeginn im Jahr 2016 250 Millionen USD für diesen Stützpunkt ausgegeben [8].

Mit C17-Transportflugzeugen und einer Flotte von Drohnen, darunter unbemannte Kampfflugzeuge (UCAVs, Unmanned Combat Aerial Vehicles, Anm. d. Red.) wie die MQ-9 Reaper, ist sie nach der Basis in Dschibuti die zweitgrößte US-Basis in Afrika [9].

Kurz nach dem Sturz von Bazoum hatten die USA einen Notfallplan zur Evakuierung dieses Stützpunktes ausgearbeitet. Aber „das Ziel ist zu bleiben“, auf beiden Stützpunkten – sowohl in Niamey als auch in Agadez –, erklärte General James Hecker, USAF-Befehlshaber (USAF = U.S. Air Force, US-Luftwaffe, Anm. d. Red.) für Europa und Afrika, im August [10].

Neben den vom Pentagon betriebenen Luftwaffenstützpunkten 101 im Südwesten Nigers und 201 in der Zentralregion, betreibt die CIA im Nordosten noch einen weiteren Stützpunkt – in der kleinen Oasenstadt Dirkou. Die Existenz einer solchen Basis war, bis sie 2018 aufgedeckt wurde, geheim.

„Ich weiß nur, dass sie Amerikaner sind“, hatte ein wortkarger Bazoum, der 2018 Innenminister des Regimes war, gegenüber der NYT geantwortet, als er zu diesem Stützpunkt befragt wurde [11]. „Es ist immer gut. Wenn die Leute so etwas sehen, bekommen sie Angst“, fügte Boubakar Jerome, der damalige Bürgermeister der Stadt Dirkou mit einigen Tausend Einwohnern, in seinem Kommentar hinzu. Er verriet damit beiläufig, dass das Regime ausländische Militärpräsenz unterhielt, um die eigene Bevölkerung in Angst zu halten.

Als dieses Regime – seit 2021 mit Bazoum als Präsident an der Spitze des Landes – im Juli 2023 gestürzt wurde, stand für die USA viel auf dem Spiel. Bis Oktober hatten die USA seine Absetzung und die Machtübernahme durch die CNSP nicht einmal als „Staatsstreich“ deklariert, denn „wir wollen diese Partnerschaft aufrechterhalten“, sagte Sabrina Singh, die stellvertretende Pressesprecherin des Pentagon, auf einer Pressekonferenz im August [12]. „Wir haben Hunderte Millionen Dollar in die Basen dort investiert.“

Kaum zwei Monate nachdem die USA die Machtübernahme durch die CNSP im Oktober schließlich als Staatsstreich eingestuft haben und dadurch Gesetze in Kraft traten, die die Entwicklungshilfe und militärische Unterstützung für Niger einschränkten, bot Molly Phee, die stellvertretende US-Außenministerin für afrikanische Angelegenheiten, an, beides wieder aufzunehmen.

Nach einem Treffen mit den vom CNSP ernannten Ministern im Dezember, bei dem die Anzahl der US-Truppen von 1.100 auf 648 Soldaten reduziert wurde [13], sagte Phee auf einer Pressekonferenz: „Ich habe dem CNSP deutlich gemacht, dass wir wieder ein guter Partner sein wollen, aber der CNSP muss auch ein guter Partner für die Vereinigten Staaten sein.“

Niger war anscheinend nicht besonders an einer Partnerschaft mit den USA interessiert. Wie in den Nachbarländern Mali und Burkina Faso hat die fast zehnjährige Präsenz westlicher Truppen in Niger nur dazu geführt, dass sich die Gewalt islamistischer Aufstände, die sie angeblich bekämpfen sollten, weiter ausbreitete. Und das, nachdem sie die Aufstände in der Sahelzone selbst durch die Zerstörung Libyens 2011 ausgelöst haben.

Der Westen übt weiterhin Druck auf die Militär-Übergangsregierungen in diesen Ländern aus, damit Wahlen abgehalten werden. Die Realität vor Ort sieht jedoch anders aus: Die Mehrheit der Bevölkerung wird vom Wahlprozess ausgeschlossen sein, da diese Staaten im letzten Jahrzehnt – im Sicherheitsbereich der westlichen Truppen – die Kontrolle über riesige Gebiete an Aufständische verloren haben. Frankreich wird sogar vorgeworfen, nachdem es aus diesen Ländern abgezogen ist, genau diese Gruppen zu unterstützen.

Unter diesen Umständen prüfen Mali, Burkina Faso und Niger – die sich im September letzten Jahres zur Allianz der Sahelstaaten (AES, franz. L’Alliance des États du Sahel, Anm. d. Red.) zusammengeschlossen haben [14] – alternative Sicherheitsbeziehungen, auch zu Russland.

Diese Idee ist sehr populär. So wurden bei den antifranzösischen Protesten häufig russische Flaggen und die nigrische Trikolore zusammen geschwenkt – oft Seite an Seite mit den Flaggen der anderen BRICS-Länder.

Molly Phee flog am 12. März mit einer Delegation, der auch Michael Langley, der Oberbefehlshaber des US Africa Command (AFRICOM), angehörte, nach Niger zurück. Sie soll bei einem Treffen mit den von der CNSP ernannten Ministern mit „Vergeltungsmaßnahmen“ gegen Niger gedroht haben.

Außerdem beschuldigte Phee, um diese Angriffsdrohung zu rechtfertigen, Niger fälschlicherweise, ein geheimes Abkommen mit dem Iran über Uranlieferungen geschlossen zu haben, wie Oberst Amadou Abdramane, der Sprecher des CNSP, in einer am Samstag (16.03.2024) im Fernsehen übertragenen Rede sagte [15].

„Es ist allgemein bekannt, dass die Ausbeutung von Nigers Uran vollständig von Frankreich kontrolliert wird“, sagte er und verurteilte Phees Anschuldigung als eine Lüge, die an die Behauptung von Massenvernichtungswaffen erinnere, die vor dem Irak-Krieg verbreitet wurde. „Die internationale Gemeinschaft erinnert sich noch an die falschen Beweise, die von den USA vor dem Sicherheitsrat angeführt wurden, um die amerikanische Aggression gegen den Irak zu rechtfertigen“, fügte er hinzu.

„Die USA haben Niger einseitig ihr Militär aufgezwungen“

Abdramane bekräftigte, dass Niger mit Russland „von Staat zu Staat, im Einklang mit den von der vorherigen Regierung unterzeichneten Abkommen über die militärische Zusammenarbeit“ verhandelt. Er fuhr fort und betonte, dass die Anwesenheit der US-Truppen und US-Stützpunkte in Niger „illegal“ ist.

„Durch eine einfache Verbalnote (im Jahr 2012) … hat die amerikanische Seite Niger einseitig ein Abkommen über den Status des US-Personals und der zivilen Mitarbeiter des amerikanischen Verteidigungsministeriums aufgezwungen“, sagte er. Er bezeichnete dieses Abkommen als „zutiefst ungerecht“ und gegen „die Sehnsüchte und Interessen des nigrischen Volkes“ gerichtet und kündigte an, dass dieses Abkommen „mit sofortiger Wirkung“ widerrufen wird.

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