Horst D. Deckert

Warum niemand Pakistan erwähnt und was es zu bedeuten hat

Vor exakt acht Wochen habe ich vorhergesagt, dass der Zusammenbruch der USA nur noch Monate entfernt liegt. Afghanistan kam in meiner Projektion zwar nicht vor, allerdings bekamen das in Zersetzung begriffene Militär und die derangiere Regierungstruppe der USA breiten Raum darin eingeräumt. In Anbetracht der weiterhin ungelösten und sich gar verschlechternden Situation beim Abzug aus Afghanistan zeigt sich, dass ich in meiner Einschätzung ziemlich richtig lag. In unserem Land wiederum übernimmt die Versinnbildlichung dieses neuen Status-Oh die Kanzlerettenkandidatin der Grünen Annalena Baerbock, die kürzlich ihre Plüschtierkenntnisse im Völkerrecht am Beispiel Afghanistans öffentlich vorexerzieren durfte. Beides gab mir Anlass, einmal selbst über das Problem nachzudenken. Meine Antwort in der Sache lautet kurz und bündig: Pakistan.

Steilvorlage um Steilvorlage

Ich weiß gar nicht, wie der offiziell verlautbarte Stand in der Sache ist, daher hier in Kürze der neueste Schnitzer, den sich die US-Regierung in Afghanistan geleistet hat. Da sie sich in keiner Verhandlungsposition mehr sah, nachdem das Militär aus unerfindlichen Gründen die Militärbasen in Afghanistan zuerst geräumt hat, musste sie ad hoc die neue Herrschaft der Taliban über das Land akzeptieren und gaben den neuen Mullahs in guter Hoffnung eine Liste mit Namen von amerikanischen Staatsbürgern durch, von denen Washington gerne hätte, dass sie unbehelligt zunächst in Kabul bleiben dürfen, um dann baldmöglichst ohne Widerstand das Land verlassen zu können.

Man muss kein Experte sein, um zu begreifen, dass die US-Regierung dem bis-eben-noch-Todfeind damit eine Liste mit Kandidaten für das größte Kidnapping seit dem Ende der DDR ausgehändigt hat. Die USA haben keinerlei Garantien und keinerlei Druckmittel, um den Schutz der noch etwa 15.000 US-Bürger und sämtlicher Staatsbürger von Verbündeten in Afghanistan zu erzwingen. Sie müssen sich darauf verlassen, dass die Taliban nicht nur Gelegenheitsdiebe abzuhalten in der Lage sein werden, sondern dass sich die Taliban überdies auch selbst so weit beherrschen können, um der zuckersüßen Versuchung zu widerstehen, dem Todfeind eine epochale Blamage für die Geschichtsbücher der kommenden Zweitausend Jahre zu verpassen.

Nachdem schon volle Waffenlager zurückgelassen wurden und die afghanische Armee, die trotz des schlechten Rufs offenbar eine passable Kampfkraft hatte, durch den plötzlichen Entzug der amerikanischen Luftunterstützung völlig im Stich gelassen wurde, machen sich die im Zusammenbruch befindlichen USA damit endgültig zu ihrem eigenen Opfer. Erste Rufe nach einer Absetzung von Biden gehen um, was zwar immer wieder einmal im politischen Geschäft zu vernehmen ist, jedoch ist der Ton dieses Mal nicht marktschreierisch schrill, sondern kommt seltsam ängstlich und leise daher. Dennoch wird es in der politischen Arena jenseits des Atlantiks gehört und das will was heißen.

Was wird wohl noch kommen?

Sollten die Taliban ihr wahres Gesicht zeigen, was selbst mit guten Absichten im Fall interner Streitereien im noch im Entstehen befindlichen neuen Staatswesen plötzlich geschehen könnte, dann befänden sich die USA in einer Zwickmühle, aus der sie nur noch mit ganz großen Bomben herauskommen könnten. Dies entweder im wörtlichen Sinn per Langstreckenbomber oder vielleicht auch über den rabiaten Auftakt der quicken Neukreation der „ISIS-K“, in deren Chaos sich andere Fluchtkorridore öffnen. Oder aber die USA müssten die Taliban so sehr mit US-Dollars zuscheißen, dass es alleine aus kriegstaktischen Gründen notwendig würde, die Hyperinflationierung der eigenen Währung auszulösen.

Doch selbst wenn die Sache entgegen jeder Vernunft seitens der Taliban und aller gut begründeten Befürchtungen zum Trotz gut ausgehen sollte – das „gut“ bitte in Anführungsstrichen verstehen – dann lauern gleich hinter dem glimpflichen Ende in Afghanistan weitere Tiefschläge für das amerikanische Imperium, infolgedessen sich das letzte Bisschen globale Machtprojektion noch vor Ablauf des Jahres gänzlich in Luft auflösen könnte. Joe Biden hat es bei einer seiner verstammelten Pressekonferenzen aus den letzten Tagen angedeutet, dass im Krieg der USA gegen den Terror nicht Afghanistan im Fokus steht, sondern andere Regionen. Interpretiert werden die Äußerungen zwar als demente Verwirrungen, doch es könnte sich gut und gerne auch das Gegenteil handelt haben.

Sollte es letzteres gewesen sein, dann befindet sich die Bühne des globalen Spiels um Macht und Einfluss derzeit in Nord- und Westafrika , wie sich am Transkript der vom Mainstream gelöschten Passagen aus Bidens Äußerungen ablesen lässt. Moment mal, da war doch etwas, dachte ich mir, als ich das las. In Mali gab es kürzlich einen Anschlag auf die Bundeswehr, während in Würzburg und bei der Akonymixe AKK in Bonn seltsame Synchronizitäten auftraten. Mit den taumelnden USA, in deren Windschatten sich unter anderem das unfähige Deutschland bewegt, könnte es damit auch im Sahel in den kommenden Wochen oder sogar schon in wenigen Tagen sehr schnell gehen.

Lediglich die wegen des Anschlags jetzt schon geschärften Sinne und der Faktor Frankreich, das in Afghanistan auf Peter Scholl-Latour gehört haben zu scheint, sprechen gegen einen baldigen Verlust der Kontrolle über Westafrika durch die US-europäische Interessenallianz. Alles andere jedoch spricht für ein dramatisches Aufflammen der dortigen Krisen, zumal die Schärfung der Sinne vor Ort auch gleichbedeutend damit sein kann, dass der Einsatz womöglich nur noch auf sichere und damit unbedeutende Gebiete beschränkt wird, was den Extremisten vor Ort einen breiten Handlungsspielraum ermöglicht. Eines jedenfalls ist sicher, das aus Afghanistan kommende Signal für den global aufgestellten Islamismus und seine Betreiber im Hintergrund lautet Angriff, denn mit den Geschehnissen am Hindukusch hat sich ein seltenes Gestaltungsfenster sehr weit geöffnet. Biden jedoch könnte schneller weg sein – oder zu wirklich dramatischen Mitteln greifen – als eine Kalaschnikow durchgeladen ist. Daher ist Aktion angesagt, wenn die USA entscheidend zurückgedrängt werden sollen.

Dummheit oder Absicht?

Auf eine nahe Eskalation lässt mich dabei vor allem die im Schockzustand über das eigene Versagen auf die Introspektive beschränkte Lageanalyse in den westlichen Machtzentren tippen, wobei selbst das nur eine Minderheit der Beobachter und Akteure betrifft. Die Regel ist sogar noch einmal schlimmer und besteht aus Realitätsverweigerung per Eiapopeia oder alternativ einer puren Angststarre als Reaktionen auf die nicht für möglich gehaltene Wunde, die man sich ohne Not selbst zugefügt hat. Vielleicht liegt es an meinen begrenzten Suchtechniken im Internet, aber wirklich sachdienliches zur Lagebewertung habe ich bislang zumindest noch nicht vernommen. Vor allem war in den letzten Tagen nirgendwo in den üblichen Organen etwas zu vernehmen über die Verantwortung islamischer Staaten gegenüber der Sicherheit des zurückgelassenen Personals der USA oder anderer Länder in Afghanistan.

Eigentlich wäre das naheliegend und gehört im Grunde genommen zur Standardrhetorik. So erhielten auch der geflohene Präsident oder andere hochrangige Vertreter der Ex-Marionetten in Kabul keinerlei mediale Aufmerksamkeit, und auch kein Politiker bezog sich auf sie. Schon das ist seltsam, doch immerhin noch begründbar mit ihrem völligen Machtverlust über das Land. Andere Akteure im Spiel, vor allem Katar und noch mehr Pakistan wurden ebenso wenig als Anlaufstelle genannt. Lediglich Denkfabriken wie Brookings oder das berüchtigte Council of Foreign Relations sprachen die Nutznießerschaft Pakistans an, das der Erfahrung nach – nicht auf dem Papier und auch nicht nach den üblichen Worten – militärisch und geheimdienstlich zu den Verbündeten (oder eher Abhängigen) der USA zu zählen ist. Erst jetzt, also heute und damit fünf kritische Tage nach Beginn der Katastrophe, lassen sich im US-Mainstream einige wenige Artikel finden, wie etwa diesen hier der ehemals renommierten New York Times, in denen erste Versuche offenbar werden, sich aus der panikinduzierten Starre infolge der entblößend peinlichen Niederlage zu lösen.

Eine Suche nach deutschsprachigen Artikel über den Hebel islamischer Länder habe ich ebenfalls durchgeführt, allerdings hätte ich sie mir wie zuvor vermutet auch sparen können, denn es gibt nichts darüber. Eventuell wird die NZZ in einigen Tagen etwas darüber bringen und vielleicht schriebt der Focus zum Thema etwas aus den USA ab. Das wird es dann aber auch wieder gewesen sein. Wenn schon die geheime Kommunikation im militärischen Ernstfall nicht funktioniert, dann ist es nur eine logische Schlussfolgerung, dass sich auch der Rest des deutschen IuK-Systems für politische Berichterstattung und Analyse nicht Einsatzbereitschaft befindet. Darin erinnert Afghanistan ein bisschen an das kürzlich Geschehene im Ahrtal. Anstelle von Wasser und umherziehenden Migranten läuft diesmal eben viel Blut, und zwar verursacht durch jene, die erst noch migrieren müssen.

Diplomatische Pflicht, keine Kür

Im Grunde genommen wäre es gar nicht so schwer gewesen, auf Anhieb auf Pakistan zu kommen und das Land entweder direkt in die Pflicht zu nehmen, oder es über den Winkelzug der Ölscheichs am Arabischen Golf an die Kandare zu nehmen. Auf medialer Ebene würde ich die Fehlstelle in diesem Bezug fast noch akzeptieren, denn Journalisten sind (idealtypisch zumindest) in erster Linie Beobachter, nicht aber Berater – oder noch schlimmer, zur Wahl stehende Entscheider. Politisch dagegen ist es kaum verzeihlich, dass in den entscheidenden Stunden ganz offenbar nirgendwo im Niemandsland des politischen Verantwortungsträertums jemand einen ausreichend kühlen oder eventuell sogar mit dem notwendigen Rüstzeugs zur Handhabung einer solchen Situation gefüllten Kopf behielt, um nach innen und nach außen klar aufzuzeigen, wo angesetzt werden muss. Dies in Deutschland genauso wie in den USA und allen übrigen der beteiligten Länder.

Über Pakistan laufen die wichtigsten Verbindungswege nach Afghanistan, ein Teil des interessenbestimmenden Pakistan beherbergt darüber hinaus einen Gutteil der Terroristen, Pakistans Geheimdienstapparat ist wie oben erwähnt eng mit seinem amerikanischen Gegenstück verbandelt und es gibt umfassende militärische Verträge zwischen Pakistan und den USA. All das, während die kulturellen, ethnischen und religiösen Wege zwischen Pakistan und Afghanistan mindestens so kurz sind, wie jene zwischen Deutschland und Österreich oder der Schweiz. Kurzum: Schon aus Routine wissen alle Beteiligten um die mit Pakistan bestehenden gegenseitigen Abhängigkeiten, wie auch beide Seiten keinen Hehl daraus machen, dass Pakistan in Afghanistan auf allen Ebenen ein gewaltiges Wörtchen am mitreden ist.

Ob Pakistan diese Rolle überhaupt einnehmen sollte, welche Ziele das Land verfolgt und ob das alles Hand und Fuß hat, was man sich in Islamabad für Afghanistan am ausdenken ist, bleibt dahingestellt. In diesem Moment ist das alles ohnehin irrelevant, wichtig ist nur das definitive Wissen darum. Denn unmittelbar daraus leitet sich ab, dass in einer derart akuten und vertrackten Lage wie nach dem verheerenden militärischen Totalausfall in Afghanistan, umgehend sämtliche Hebel mit Pakistan hätten gezogen werden müssen. Mindestens in der öffentlichen Debatte hätte die Forderung danach erwähnt werden müssen, was jedoch nicht geschah.

Pakistan – vergessen oder versucht?

Drei Szenarien sind möglich, wie sich die Lage im Nachhall des Kontrollverlusts der USA in Afghanistan im Zusammenhang mit Pakistan abgespielt haben könnte und warum niemand ein Wörtchen über das Land verlor. Keine davon ist positiv. Erstens, das politische Personal hüben wie drüben ist auch im Hintergrund so kopflos-konfus wie es im Scheinwerferlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit wirkt. Zweitens, es wurde heimlich Druck auf Pakistan ausgeübt und es kam hinter den Kulissen tatsächlich zu glaubwürdigen Absprachen bezüglich des Abzugs ausländischer Zivilisten und des weiteren Verhaltens der Taliban gegenüber seinem kürzlich erworbenen Volk. Drittens, es wurde heimlich Druck auf Pakistan ausgeübt, jedoch sieht sich das Land (mit einigem Recht) in einer Position der Stärke und lässt sich seine Position von der höchstbietenden Partei bezahlen.

Das Szenario mit dem geringsten Schadenspotenzial ist das erste. Denn es bedeutet, dass nur innerlich im westlichen Machtgerüst etwas defekt ist, was sich in der Folge mit etwas Aufwand wieder reparieren ließe. Der kritische Fehler wurde zwar begangen und er wird Konsequenzen haben. Allerdings wird er auf dem internationalen Parkett nicht zu größeren Verschiebungen der Kalküle einzelner Spieler führen, während sich intern über ein Stühlerücken eine zukünftige Wiederholung des gleichen ließe.

Das zweite Szenario hat ein etwas größeres Schadenspotenzial als das erste, obwohl es impliziert, dass wir es zwar mit verlogenen Schauspielern zu tun haben, die insgeheim jedoch ausgezeichnete Arbeit leisten. Der größere Schaden rührt von der weiteren Erosion des Glaubens an Demokratie und an den Rechtsstaat her, da beides der geopolitischen Lebenspraxis überhaupt nicht dienlich ist und sich, wie man an Afghanistan sehen kann, bei Bedarf hürdenlos übergehen lässt. Dennoch würde dieses Szenario auch eine beruhigende Komponente enthalten, da es gleichzeitig bedeutet, dass wir nur scheinbar von Deppen an der Macht beherrscht werden. Zugegebenermaßen handelt es sich bei dem Szenario allerdings um das unwahrscheinlichste der zur Auswahl stehenden Möglichkeiten. Dennoch darf es es nicht unerwähnt bleiben, da nie bekannt ist, auf wie vielen Ebenen genau das globale Schachbrett bespielt wird.

Das dritte Szenario schließlich ist das gefährlichste, denn es beinhaltet nicht nur das zweite mit der umfassenden öffentlichen Verlogenheit, sondern es erweitert sich überdies um die bis dato völlig ungreifbare Dimension einer sich in einer fundamentalen Wandlung begriffenen globalen Machtstruktur. Da die neue Struktur gänzlich neu ist und ohne gegangene Pfade auskommen muss, können deren Außen- und Innenmaße selbst den aktiven Spielern noch nicht bekannt sein. Sie müssen diese erst noch ertasten, um nach der Methode von Versuch und Irrtum herauszufinden, wie weit in dieser Struktur die eigenen Möglichkeiten reichen und wo die Grenzen der anderen liegen. Auf der praktischen Ebene lässt sich dieser Prozess betiteln als „Krisen, Kriege und Katastrophen“ und er verheißt für niemanden etwas gutes, der noch irgendetwas zu verlieren hat.

Sollte zur Entschärfung der Situation hinter den Kulissen tatsächlich Druck auf Pakistan und auch die arabischen Länder ausgeübt worden sein, ohne dass sich jedoch etwas nennenswertes im Interesse der westlichen Mächte bewegt hat, dann käme dies nicht weniger als einer tektonischen Verschiebung in der Größenordnung gleich, als wäre Indien an nur einem Tag von Afrika nach Asien gewandert. Denn nach allem, was bekannt ist, befindet sich Pakistan in keinster Weise in einer Position, in der es sich in einer kritischen Situation nicht beugen müsste, wenn von außen ein entsprechend großes Druckpotenzial auf das Land ausgeübt wird. Pakistan ist innerlich in einer unübersichtlichen Weise verwickelt, was es anfällig macht für verdeckte äußere Einflussnahmen. Jedem Diplomatenkorps müsste es eigentlich eine Freude sein, Zuckerbrot und Peitsche schwingend den Machteliten des Landes für einige Tage jeden einzelnen Atemzug zu dirigieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich beim Zweck um eine Einzelfallentscheidung handelt, deren unmittelbare Tragweite kaum drei Wochen in die Zukunft reicht und damit genauso endlich wie inhaltlich exakt umrissen und somit kalkulierbar ist.

Fallende Dominosteine

Eventuell wird in den kommenden Tagen noch mehr zur Frage der Rolle relevanter Drittländer im Nachhall der Übername Afghanistans durch die Taliban an das Tageslicht kommen. Irgendwer verhilft dieser Art von Information immer an irgendeiner Stelle zu medialer Aufmerksamkeit, sei dies, um jemandem einen Dank und ein Lob auszusprechen, oder auch als ein Hinweis für andere potenzielle Spieler auf beiden Seiten des Verhandlungstischs, die wissen sollen, dass sie sich in vergleichbaren Situationen künftig ähnlich zu verhalten haben. Sollte dies nicht geschehen und die Lage in Kabul sich nicht merklich entspannen, dann wäre dies ein eminentes Zeichen für das dritte Szenario, da es bedeutet, dass es versucht wurde, jedoch der sicherlich immense Druck an einer Stelle nicht in entscheidender Weise durchkam. Lediglich eine Entspannung der Lage wäre als stabilisierend zu werten im Sinne einer weiteren Aufrechterhaltung westlicher Dominanz und amerikanischer Hegemonie über Eurasien.

Generell ist es nie ein gutes Zeichen, wenn die Projektion von Macht nicht mehr funktioniert und die unmittelbare Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Interessen zum Einsatz gebracht werden muss. Letzteres kostet ein Vielfaches an Kraft und kann nur für kurze Zeit aufrecht erhalten werden, hinzu kommt der Verlust an Reputation, die sich nur langsam und mit Beharrlichkeit aufbauen lässt, die jedoch bereits mit einer einzigen falschen Entscheidung völlig zunichte gemacht werden kann. Die augenblickliche Größe des Scheiterns in Afghanistan impliziert eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass es zu einem chronischen Versagen entlang der gesamten Interessensphäre der USA und ihrer Verbündeter kommen wird.

Die Leerstelle da, wo Pakistan eigentlich stehen sollte, deutet für mich an, dass die Projektion ihre Energie verlor, die Unfähigkeit, mit entschiedener Kraft die Lage in Kabul wenigstens für den geregelten Abzug für einige Tage zu sichern zeigt, dass auch die Gewalt merklich im Schwinden begriffen ist. Eine Sequenz mit weiteren vergleichbaren Instanzen ist letztlich gar nicht notwendig, um den USA ihren Status zu rauben, einige weitere Tage in Kabul werden eventuell völlig genügen. Die zu Wegmarken des amerikanischen Niedergangs bestimmten Dominosteine sind tatsächlich drauf und dran, binnen kürzester Zeit allesamt zu fallen. Es sieht ganz danach aus, als würden die kommenden Wochen oder vielleicht auch nur Tage darüber entscheiden, ob sich die USA und damit der gesamte Westen in eine stabile Position retten kann. Oder ob sich der Machtblock schon unhaltbar auf der Rutschbahn befindet und gerade unrettbar in die Ungewissheit eines sehr kalten Winters rauscht. Ganz unten angekommen und noch vor dem kommenden Frühling werden schließlich drei C‘s die Welt beherrschen: Corona, Chaos und China.

Quelle Titelbild

Ähnliche Nachrichten