Horst D. Deckert

Wer oder was steckt hinter dem Machtkampf in Russland?

Es kann wohl niemand ernsthaft annehmen, dass Prigoschin diesen Aufstand ganz von alleine ausgeheckt hat. Es müssen Akteure im Hintergrund geben, die ihn unterstützen. Alles andere wäre für ihn der direkte Weg in die Lagerhaft.

Doch wer sind diese Leute? Bisher hat noch niemand offen mit ihm sympathisiert. Offenbar will man abwarten, wie diese Aktion verläuft und ob Prigoschin ungehindert bis zum Kreml vorrücken kann. Stellt sich Prigoschin niemand in den Weg, ist Putin Geschichte und man wird sehen, wer nachkommt.

Westliche Vorfreude verfrüht

Allerdings ist die Vorfreude in den westlichen Medien, dass damit der Krieg zu Ende wäre, verfrüht. Es ist vielmehr anzunehmen, dass Prigoschin eher ein Exponent der Falken als der Tauben ist, von denen es in der derzeitigen russischen Führung so gut wie keine gibt.

Es sei an die derzeitige Diskussion in Russland über den Einsatz von Atomwaffen erinnert. Diese Kontroverse hat sogar ihren Weg in Russia Today gefunden. Dabei geht es darum, durch den Einsatz von Atomwaffen den Krieg in der Ukraine schnell zu beenden. Putin ist strikt gegen den Einsatz von Atomwaffen zum jetzigen Zeitpunkt. Putin besteht darauf, Atomwaffen erst einzusetzen, wenn die Existenz Russlands gefährdet ist. Die Einschätzung, ob die Existenz Russlands schon jetzt, oder vielleicht erst in zwei Jahren gefährdet ist, ist beliebig. Es gibt dafür ja keine Kriterien.

Zwar kann man die gegenwärtige ukrainische Gegenoffensive als gescheitert betrachten: Man denke nur an die Erwartungen, die die westlichen Medien in die westlichen Panzer gesetzt hatten. Diese Erwartungen haben sich buchstäblich in Luft aufgelöst. Die ukrainischen Panzergrenadiere beschädigen „ihre“ Panzer, um nicht damit in den sicheren Tod zu fahren. Solange Russland die Luftüberlegenheit hat, ist jede ukrainische Offensive zum Scheitern verurteilt. Diese Luftüberlegenheit Russlands ist aber auch nicht in Stein gemeißelt. Schon wird überlegt der Ukraine Kampfflugzeuge zur Verfügung stellen und die Luftabwehr zu stärken.

Letztlich führt Russland einen Krieg gegen den kollektiven Westen. Die Ukraine ist nur der westliche Rammbock, mit dem man Russland zerstören möchte. Das industrielle Potential des Westens ist letztlich viel größer als das von Russland. Wenn Russland nicht von anderer Seite (z.B. von China) Unterstützung erfährt, muss es in dieser Auseinandersetzung langfristig unterliegen. Selenski ist gerade dabei, eine Generalmobilmachung durchzuziehen. Es werden alle männlichen Wesen von 16 bis 60 eingezogen. Diesen Wettlauf um Kanonenfutter will man in Russland nicht mitmachen. Außerdem muss damit gerechnet werden, dass, wenn Selenski das Kanonenfutter ausgeht, westliche Söldner nachgeschoben werden.

Offen wird im Westen darüber diskutiert, die Ukraine schnell in die EU und die NATO aufzunehmen. Frau von der Leyen will das EU-Budget um 50 Milliarden aufstocken. Diese Mittel sind hauptsächlich für die Ukraine gedacht. Russland muss also fürchten, auf sich alleine gestellt, diesen Druck auf Dauer nicht standhalten zu können. Obendrein hat man in Russland jede Hoffnung auf eine Verhandlungslösung aufgegeben. Erst unlängst hat Putin den afrikanischen Präsidenten den Vertragsentwurf gezeigt, nachdem sich die Ukraine zu einem Neutralitätsstatus bereit erklärt hatte. Dieser Vertrag wurde von ukrainischer Seite sogar paraphiert. Putin zog darauf, um guten Willen zu demonstrieren, die russischen Truppen von Kiew ab, was im Westen als „Sieg“ der Ukraine gefeiert wurde. Der Vertragsentwurf wurde allerdings nach der Intervention von Boris Johnson von der ukrainischen Seite verworfen. Somit war dieser Vertrag nach dem Minsker Abkommen der Zweite, den Selenski ignorierte.

Folglich ist es für Russland aussichtslos, irgendein weiteres Abkommen mit Selenski zu schließen. Irgendein Waffenstillstand, oder einem „eingefrorenen Konflikt“, von dem in den westlichen Medien hin und wieder die Rede ist, würde der Ukraine nur eine notwendige Verschnaufpause verschaffen. Danach ginge der Krieg wieder weiter. Russland muss also, um nicht langfristig stranguliert zu werden, einen schnellen Sieg erringen. Dieser ist aber, unter den gegenwärtigen Umständen, nur durch den Einsatz von Atomwaffen möglich. Insbesondere müsste Russland die Versorgungslinien der Ukraine nachhaltig unterbrechen und das geht nur mit Atomwaffen. Dies könnten im Großen und Ganzen die Überlegungen sein, die die Aufständischen angestellt haben.


 


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