Horst D. Deckert

EU-Innenkommissarin will neue Massenüberwachung einführen

Wie Netzpolitik schreibt, versucht die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson offenbar weiterhin, im geplanten EU-Gesetzespaket gegen Kindesmissbrauch eine sogenannte «Chatkontrolle» zu verankern. Dadurch wäre eine Ausspähung von Smartphone-Inhalten bei beliebigen Bürgern möglich. Die Pläne stünden in der Kritik, weil sie Grundrechte verletzen würden.

Ein interner Bericht des Ausschusses für Regierungskontrolle (RSB) der EU-Kommission beurteile den Gesetzesvorschlag als «positiv, aber mit Vorbehalt». Laut Netzpolitik wurde er zuerst vom französischen Medium Contexte.com veröffentlicht und repräsentiere den Stand vom 15. Februar. Auch wenn der Leak nicht den Originaltext des Gesetzes enthalte, würden Aussagen und Beurteilungen im Prüfbericht darauf schliessen lassen, dass umstrittene Massnahmen wie die Chatkontrolle noch Teil des vorgeschlagenen Gesetzes gewesen seien.

Einer der zentralen Einwände des Prüfberichts weise darauf hin, dass es noch zu wenig genau sei, wie die vorgeschlagenen Massnahmen zum Kindesschutz das Verbot der generellen Überwachung berücksichtige. Ausserdem müsse die EU-Kommission deutlich darlegen, wie Rechtsunsicherheit für die verpflichteten Diensteanbieter und die Gefahr unbeabsichtigter Folgen für den Schutz der Privatsphäre und die Sicherheit verhindert werden sollen.

Offener Brief als Warnung

Dutzende digitale Bürgerrechtsorganisationen warnen in einem offenen Brief vor den Plänen der EU-Kommission. Sie befürchten, dass ein gefährlicher Präzedenzfall für eine massenhafte Überwachung privater Kommunikation geschaffen werden könnte. European Digital Rights (EDRi) und über 40 Bürgerrechtsorganisationen stellten im Februar zehn Prinzipien für den Kampf gegen Kindesmissbrauch vor, ohne dass dabei Grund- und Freiheitsrechte beeinträchtigt würden, so Netzpolitik.

Laut Netzpolitik ist derzeit nicht bekannt, wie sich die Beratungen zum Gesetz seitdem weiterentwickelt haben. EDRi sei sich sicher, dass der aktuelle Gesetzesentwurf von Ylva Johansson darauf abziele, Anbieter von Online-Kommunikationsdiensten dazu zu zwingen, private Kommunikation generell zu überwachen.

Wann das Gesetzespaket veröffentlicht wird, ist noch unklar. Im aktuellen Terminkalender der Kommission sei es für den 27. April angesetzt, es werde aber von unterschiedlicher Seite erwartet, dass das Projekt erst im Mai oder sogar noch später vorgestellt werde, so Netzpolitik.

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