Horst D. Deckert

Rand Corporation zeichnet Szenarien für Beendigung des Ukraine-Krieges

Die US-amerikanische Rand Corporation gestaltet seit Jahren die US-Aussenpolitik mit. Die Denkfabrik zeichnet regelmässig Wege auf, wie die USA ihre globale Hegemonie durch eine aggressive Politik verteidigen können (wir berichteten).

Dabei ist diese Einrichtung nicht gerade bekannt dafür, den Fokus auf Diplomatie und Verhandlungen zu setzen. Umso überraschender ist vor diesem Hintergrund ihre jüngste Veröffentlichung.

In einer Studie mit dem Titel «Einen langen Krieg vermeiden» befassen sich die beiden Rand-Forscher Samuel Charap und Miranda Priebe mit der Situation in der Ukraine. Sie zeigen darin Strategien auf, wie der russisch-ukrainische Konflikt beendet und gleichzeitig amerikanische Interessen berücksichtigt werden könnten.

Je länger in der Ukraine gekämpft werde, desto höher würden die Risiken für die US-Regierung; eine Konfrontation Russlands mit der Nato und der Einsatz russischer Atomwaffen würde dann immer wahrscheinlicher, schreiben Charap und Priebe. Dies sei nicht im US-Interesse.

Als zentrale Ursachen für das Ausbleiben von Verhandlungen nennen die beiden Autoren zwei Faktoren: Sowohl Russland als auch die Ukraine würden erstens die eigenen Siegeschancen als positiv einschätzen und zweitens eine einvernehmliche Lösung als chancenlos beurteilen. Ein Fehler.

«Da keine Seite die Absicht oder die Fähigkeit zu haben scheint, einen absoluten Sieg zu erringen, wird der Krieg höchstwahrscheinlich mit einer Art Verhandlungsergebnis enden», heisst es in der Studie.

Vor diesem Hintergrund müssten die USA die Kriegsdynamik verändern. Hierbei habe Washington laut der Denkfabrik vier Optionen: Der Ukraine müsste erstens klar gezeigt werden, mit welcher Militärhilfe sie künftig rechnen könne. Kiew müsse ein realistisches Bild von den Mitteln gezeichnet werden, mit denen die Armee ausgerüstet werden könne.

Zweitens sollten die USA der Ukraine Sicherheitsgarantien geben, um Kiew an den Verhandlungstisch zu locken. Gegenüber Russland müsste die Neutralität der Ukraine versprochen und Bedingungen für die Aufhebung der Sanktionen definiert werden.

Es wäre nicht klug, diese Instrumente kurzfristig umzusetzen. Aber sie könnten ein Katalysator für die Einleitung von Verhandlungen sein, und zwar in einem Zeitrahmen, der den US-Interessen entgegenkommt.

Die nicht wünschenswerte Alternative wäre ein «langer Krieg»; ein Krieg, der die USA, die Ukraine und den Rest der Welt «vor grosse Herausforderungen» stelle.

Verhandlungen und/oder ein Waffenstillstand haben in den Augen der Denkfabrik hohe Priorität. «Da die Vermeidung eines langen Krieges nach der Minimierung des Eskalationsrisikos höchste Priorität hat, sollten die Vereinigten Staaten Massnahmen ergreifen, die ein mittelfristiges Ende des Konflikts wahrscheinlicher machen», schreiben die Studienautoren in der Konklusion. Es seien nun «Anstrengungen erforderlich, um Gespräche anzustossen»; nur so könne ein langer Krieg verhindert werden.

Kommentar Transition-News

Die Lage in der Ukraine ist besorgniserregend. Die Weltuntergangsuhr der US-amerikanischen Zeitschrift Bulletin of the Atomic Scientists wurde jüngst auf 90 Sekunden vor Mitternacht verschoben. Das ist die bislang kürzeste Zeitspanne bis zu einem totalen nuklearen Untergang.

Vor diesem Hintergrund sind die Ansichten, die die Denkfabrik in der Studie äussert, geradezu als positiv zu werten. Sie widersprechen den Äusserungen der tonangebenden Falken in der US-Regierung, die zuletzt Überlegungen geäussert hatten, die Ukraine bei einem Angriff auf die Krim zu unterstützen. Auch die Überlegung, gegenüber Russland müsste die Neutralität versprochen werden, ist äusserst interessant.

Diese Position hatte auch der ehemalige US-Aussenminister Henry Kissinger lange vertreten. Die Neutralität bezeichnete er als wichtige Bedingung, um einen Frieden in der Ukraine zu ermöglichen. Am WEF 2023 meinte er dann jedoch, dass ein NATO-Beitrag der Ukraine wohl unausweichlich sei. Kissinger hatte die westliche Aussenpolitik gegenüber der Ukraine mehrfach scharf kritisiert.

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