Horst D. Deckert

Wegen Messer-Mord an jungem Mann: Tschechen-Roma attackieren Ukrainer

Eine Gruppe von Roma attackierte mehrere Ukrainer im Zentrum von Brünn. Grund dafür war der Messer-Mord an einem jungen Mitglied ihrer Gemeinschaft wenige Tage davor. Der festgenommene Verdächtige ist laut Angaben des zuständigen Bürgermeisters Ukrainer. Die Polizei hält sich bedeckt. Die Stimmung zwischen Roma und Ukrainern ist ohnehin angespannt. Beide Gruppen konkurrieren am Arbeitsmarkt. Das Ganze entwickelt sich nun zum Politikum. 

Der Mainstream unterstellt rechten und pro-russischen Gruppen, die Stimmung aufzuheizen. Der Innenminister und die Roma-Regierungsbeauftragte beschwichtigen. Immer mehr Tschechen beklagen den Zustrom ukrainischer Flüchtlinge. 

Musik-Streit in Straßenbahn

Der Messer-Mord an einem 23-jährigen Roma ereignete sich vor einer Woche in Brünn, in der Nähe des Staudamms. Dort war ein Feuerwerk geplant. Der Verdächtige, ein 37-jähriger Ukrainer, stach in der Nähe der Haltestelle Prystaviste auf zwei junge Roma ein. Einer starb im Krankenhaus an den Stichwunden, der andere ist auf dem Weg der Besserung. Der Tat soll ein Streit in der Straßenbahn vorangegangen sein – wegen lauter Musik. Der Mord löste eine Welle anti-ukrainischer Reaktionen aus. Eine Gedenkstätte mit Kerzen, Blumen und Fotos des 23-jährigen Opfers wurde errichtet.

Bürgermeister outet Identität

Der Bürgermeister des Brünner Stadtbezirks Bystrc, Tomas Kratochvil, outete auf Facebook die Nationalität des Verdächtigen als Ukrainer. Die Polizei bezeichnete den Verdächtigen verhalten als „Ausländer“. Über die Ermittlungen gibt es keine Informationen. Diese Intransparenz stößt Roma-Kreise vor den Kopf. Sie haben das Gefühl, ihre Anliegen seien unbedeutend. Am Montag eskalierte die Lage. Roma demonstrierten im Zentrum von Brünn, griffen Ukrainer an und bewarfen sie mit Tischen und Stühlen. Ein Video zeigt die aufgeladene Stimmung. Es gab keine Verletzten. 

Gespaltene Roma-Gemeinschaft 

Die Roma-Gemeinschaft plante eine Demonstration im Janacek-Theater. Sie wurde nach den Montag-Zwischenfällen abgesagt. Organisatorin Zaneta Plachetkova reagierte unmittelbar nach dem Mord äußerst scharf: „Wir wollen dass der Täter…angemessen bestraft wird und dass problematische Ukrainer…abgeschoben werden“. Nun schwenkte sie völlig um. Die Demo könnte in „die falschen Hände geraten“ und unkontrollierbar werden, begründet sie die Absage. Sie wolle sich nicht an der Verbreitung von Hass und Rassismus beteiligen. Offenbar wurde sie politisch zurechtgebogen. In der Roma-Gemeinschaft herrscht indes weiterhin Aufruhr. 

Innenminister beschwichtigt

Der Messermord ist wegen der aufgeheizten Stimmung mittlerweile ein Politikum. Die Ukrainer sind nicht überall willkommen. Der Mainstream spricht von Desinformation, Unterwanderung durch die rechte oder extremistische Szene und sogar von pro-russischen Chaos-Stiftern. Tschechiens Innenminister, Vit Rakusen, stimmt in diesen Chor mit ein: „Ich möchte alle dazu auffordern, sich nicht von denen manipulieren zu lassen, die unter dem Einfluss völlig verständlicher Emotionen die verwerfliche Tat einer Person nutzen wollen, um Intoleranz gegenüber irgendeiner Gruppe von Menschen zu schüren.“ Das Prinzip der Kollektivschuld sei ebenso verwerflich wie die Gewalt selbst, schrieb er auf Twitter. Die Regierungskommissarin für Roma-Minderheitenangelegenheiten, Lucie Fuková, versucht die Lage zu beruhigen. Sie forderte die Roma auf, Ruhe zu bewahren und keine pauschalen Aussagen über die Nationalität des Täters zu machen. Sie werde in Brünn Polizeivertreter, Vertreter von NGOs und lokale Roma treffen. Gewalt dürfe nicht noch mehr Gewalt hervorbringen. 

Ukrainer besetzen Roma-Jobs 

Die Roma-Gemeinschaft steht dem Zustrom ukrainischer Flüchtlinge kritisch gegenüber. Wäre der Messer-Mord-Verdächtige ein Tscheche, Ungar oder Rumäne wäre der Aufruhr weniger intensiv gewesen, sagte Petr Macal, Direktor der gemeinnützigen Organisation IQ-Roma Service. „Die Roma konkurrieren mit ihnen, die Ukrainer sind Konkurrenz für sie, weil sie ihnen bis zu einem gewissen Grad die Arbeit wegnehmen, sagte er. Andere Roma-Vertreter versuchen, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen. Es sei die Tat eines Einzelnen gewesen, man könne nicht eine ganze Bevölkerungsgruppe verurteilen. 

Tschechen nicht begeistert

Der Brünner Stausee ist ein beliebter Treffpunkt im Sommer. Einheimische sagen, man höre dort fast nur mehr Ukrainisch, man fühle sich schon wie in Kiew. Bürgermeister Kratochvil, vom zugehörigen Distrikt, forderte nun eine stärkere polizeiliche Überwachung. Denn je mehr Menschen dort zusammenkommen, desto eher komme es zu Streitereien. Aber nicht nur durch Ukrainer, stellte er klar. 

Zum Autor: Kornelia Kirchweger war Journalistin bei „Austria Presse Agentur“, Bundespressedienst, „BBC“, „Asahi Shimbun“. Fokus: EU, Asien, USA, Afrika. Seit 2016 beim „Wochenblick“. Rockte die sozialen Medien mit ihrem offenen Brief an Greta Thunberg und machte gegen den UNO-Migrationspakt mobil.

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